Island extrem: Alleine zu Fuß durch die größte Lavawüste der Erde
Wer hätte das gedacht? Die größte Lavawüste der Erde befindet sich in Europa, besser gesagt in Island – ihr klangvoller Name „Odadahraun“. Sie gilt als einer der unwirtlichsten und lebensfeindlichsten Landstriche unserer Erde und diente im 16./ 17. Jahrhundert Islands Vogelfreien als Versteck. Daher wird sie auch “Wüste der Missetäter“ genannt. Diese wollte ich durchqueren - und zwar alleine!
In fünf Tagen legte ich eine Strecke von 150 km zurück. Mein
Weg führte mich durch das Herz der Odadahraun, durch unwegsames, von
scharfkantigen Lavablöcken durchsetztes Gelände. Häufig versperrten mir
riesige, zu Steinwällen aufgeworfene Lavablöcke, die an schwarzes Packeis
erinnern, den Weg und zwangen mich immer wieder zu Umwegen.
Das Gewicht meines Rucksacks betrug 40 kg. Einen 10 Liter Wasservorrat für die gesamte Strecke eingeschlossen. Den Marsch durch die Odadahraun Lavawüste auf Island habe ich im Jahr 1997 unternommen.
Alleine mit Island
Nur noch schwach ist die schwarze Staubfahne des Geländewagens vor dem Hintergrund des blauen Himmels zu sehen, bis sie sich schließlich am Horizont in Nichts auflöst. Das letzte Anzeichen menschlicher Zivilisation ist aus meinem Blickfeld verschwunden.
Ich bin alleine.... alleine im Land der Trolle und Elfen, alleine mit Island. Bleiern lastet die Einsamkeit auf mir und Zweifel kommen auf, ob ich mir da mal nicht zu viel vorgenommen habe.
„Good luck and take care, I`m sure you will do it “. Mit diesen aufmunternden Worten hatte mich mein isländischer Fahrer - ein Farmer vom Myvatn namens Laki - verabschiedet.
Ich verspüre eine gewisse Anspannung, die sich immer bemerkbar macht, wenn ich alleine in unwegsame Wildnis aufbreche. Zumindest das Wetter meint es heute gut mit mir, denn die Sonne scheint von einem fast wolkenlosen Himmel.
Ein kräftiger Wind lässt den feinen Aschesand zu feinen spiralförmigen schwarzgrauen Spiralwolken wirbeln. Bald schon bedeckt der feine Lavastaub Kleidung und Rucksack und findet seinen Weg in Augen, Ohren und Nase. Er wird in den nächsten Tagen mein ständiger Begleiter sein und ich muss mich wohl oder übel daran gewöhnen.
Wo sonst niemand hin geht
Die letzten Tage in Reykjavik, Akureyri und am Mückensee (Myvatn) verliefen eher hektisch, denn es gab noch einiges an Vorbereitungen wie z.B. das Ergänzen und Überprüfen der Ausrüstung, zu tun. Außerdem hoffte ich, weitere nützliche Informationen über die Lavawüste direkt hier vor Ort zu bekommen. Obwohl kaum Zeit für Sightseeing blieb, schaute ich mir auf dem Weg zur Odadahraun noch einige der spektakulären Naturschönheiten, von denen Island reichlich zu bieten hat, an.
Die Informationsbeschaffung erwies sich als aussichtsloses Unterfangen, denn meine bohrenden Fragen wurden mit Schulterzucken beantwortet. „Nobody goes there“ hatte mir die freundliche Dame der Touristeninformation in dem kleinen Ort Reykalid geantwortet. Dennoch war sie rührend um mich besorgt. Aus diesem Grund hinterließ ich ihr meine geplante Route und eine Kontaktadresse in Deutschland für den Fall, dass mir etwas zustoßen sollte.
Odadahraun Wüste - unbekanntes Land
Niemand konnte mir Auskunft über die Beschaffenheit des Geländes im Herzen der Odadahraun Wüste geben. Laut meiner wenig detaillierten topografischen Karte, besteht das Zentrum der Lavawüste aus einer Anhäufung von riesigen Lavablöcken, die sich stellenweise zu regelrechten Bergen auftürmen. Waren diese überhaupt ohne Kletterausrüstung zu überwinden? Auf die hatte ich nämlich aus Gewichtsgründen verzichtet. Konnte ich meine geplante Route überhaupt einhalten?
Was wäre, wenn ich mir ein Bein brechen oder den Fuß verstauchen sollte? Würde man mich wirklich, wie versprochen, mit einem Helikopter suchen – und auch finden? Vielleicht herrscht gerade dann einer der berüchtigten tagelangen Sandstürme. Viele Fragen blieben offen und ließen meine Anspannung weiter steigen. Trotzdem wollte ich mich durch Nichts von meinem Vorhaben abbringen lassen.
Trolle und Elfen rauben mir den Schlaf
Ich freute mich auf eine letzte ruhige Nacht im Schoße der Zivilisation. Daher kroch ich früh am Abend, verbunden mit der Hoffnung, dass sich bald ein traumloser Schlaf meiner erbarmt, in meinen kuscheligen Schlafsack. Doch es sollte anders kommen.
Die Nacht wurde regelrecht zum Horror. Unruhig wälzte ich mich im Schlafsack hin und her. Es war kalt. Ein Blick auf das Thermometer im Vorzelt zeigte fast 0 Grad. Die Kälte kroch allmählich in meinen Schlafsack. Ich fror und schwitze dennoch fürchterlich. In der Folge wachte ich immer wieder bibbernd und schweißgebadet auf. Fürchterliche Albträume quälten mich.
Mein nächtlicher Gedankenwirrwarr wurde von Islands sagenumwobenen Wesen, den Elfen und Trollen beherrscht. Überall schienen sie auf mich zu lauern. Hinter bizarren Lavagebilden vermochte ich ihre zu Fratzen verkommenen Gesichter zu erkennen. Für sie war ich ein Eindringling in diese leblose Einöde. Daher hatten sie nur ein Ziel - mich an meinem Marsch durch die Wüste zu hindern.
Aufbruch ins Ungewisse
Das war letzte Nacht - und die war für mich eine echte Horrornacht. Dementsprechend unausgeschlafen und schlapp fühlte ich mich heute, am Morgen meines ersten Marschtages.
Die unendliche Weite der schwarzgrauen Lavawüste liegt nun vor mir, als ich nach Osten Blicke. Ein intensives Glücksgefühl durchströmt jede Faser meines Körper. Ich genieße diesen Moment intensiv und spüre, wie die Energie zurückkommt, denn Körper und Geist wollen endlich los - aufbrechen ins Ungewisse.
Ich lasse meinen Blick nach Süden schweifen, wo im Dunst der Ferne die Gletscherzungen des Vatnajökull, mit 8.000 qkm der größte Gletscher Europas, auf den Rand der Wüste treffen. Feuer und Eis stoßen hier unmittelbar aufeinander.
Im Südosten wird mein Blick vom Dyngjufjöllgebirge, dass mit
einer wie Puderzucker aussehenden Schneeschicht überzogen ist, begrenzt.
Dahinter verborgen liegt die mit türkisfarbenem Wasser gefüllte Caldera der Askja. Im Osten leuchtet schwach der von der Nachmittagssonne angestrahlte Gipfel des Herdubreid – Islands schönster Tafelvulkan. Auch im Norden wird die Odadahraun von mehreren Tafelbergen begrenzt.
Gehen auf Lava und Geröll
Kurze Standortbestimmung mit dem GPS, Kompasspeilung und los geht‘s. Wie zu Beginn einer jeden Tour genieße ich es unterwegs zu sein. Zu meiner Linken kann ich auf den letzten, mit spärlichem Gras bewachsenen Weideflächen am Rand der Wüste die hellen wolligen Gestalten einiger Islandschafe ausmachen. Sie sollten die letzten Lebewesen sein, die ich in den nächsten Tagen zu Gesicht bekomme.
Das Gehen auf Lava strengt mächtig an
Auf dem schwarzen Aschesand ist das Gehen kräftezehrend.
Häufig versinke ich bis zu den Knöcheln im Sand. Der schwere Rucksack tut sein Übriges.
Größere Lavablöcke zwingen mich immer wieder zu Umwegen.
Im Schatten einer dieser Lavablöcke mache ich meine erste Rast. Laut Karte befindet sich zu meiner rechten ein kleiner Bachlauf. Diesen steuere ich an und saufe wie ein Kamel vor einem langen Wüstenritt. Denn schließlich möchte ich meinen Bauch bis zum letzten Winkel mit Wasser füllen, um so mit maximaler Kapazität in die Wüste aufzubrechen. Ich fülle auch meinen Wasserkanister bis zum Rand, denn der muss schließlich für 5 Tage reichen.
Die Wüste macht glücklich
Die Trekking-Stöcke erleichtern die Fortbewegung in dem rauen Gelände ungemein. Es hatte mich einige Mühe gekostet diese auszuziehen, weil sie total festgerostet waren. Beim Überprüfen der Ausrüstung hatte ich sie glatt vergessen – sollte eigentlich nicht passieren! Gegen 18.00 Uhr erreiche ich den Bachlauf.
Schnell ist das Zelt aufgebaut und im Kochtopf brodelt ein leckerer Erbseneintopf. Dazu ein prickelndes und erfrischendes Brausegetränk mit Himbeergeschmack. Dies sind die Momente die ich so liebe.
Ich verspüre eine innere Zufriedenheit, ja ein regelrechtes Glücksgefühl, obwohl noch mindestens vier harte Tage vor mir liegen. Zufrieden krieche ich in meinen Schlafsack und falle bald in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Warum Wüsten glücklich machen
Sie lassen dich Anstrengung sehr intensiv spüren - mit allen Sinnen
Sie geben dir ein Maximum an selbstbestimmtem Handeln
Sie lehren dich Demut vor der Natur
und Dankbarkeit...selbst für kleinste Annehmlichkeiten
Auf einem anderen Stern
Am Morgen treiben mich die Sonnenstrahlen, die das Zelt mächtig aufheizen, frühzeitig aus dem Schlafsack. Es ist absolut windstill. Kein Laut dringt an meine Ohren. Die Umgebung wirkt irreal, wie das Antlitz eines fremden Sterns. Irgendwie unheimlich.
Soweit das Auge reicht, keinerlei Anzeichen von Leben. Bin
ich in Europa oder befinde ich mich vor der Kulisse eines Science-Fiction-Films?
Nach einem schnellen Müslifrühstück baue ich ebenso fix das Zelt ab und
verstaue die restliche Ausrüstung im Rucksack. Heute empfinde ich die Last des
Rucksacks erdrückend. Habe mich noch nicht an die gut 40 kg auf meinem Rücken
gewöhnt.
Allmählich verändert sich das Terrain. Ging ich bisher meist
über flache Fladenlava, so herrschen jetzt kleine, wie schwarze Blumenkohlköpfe
aussehende Lavagebilde vor. Auf dem schwierigen Untergrund will jeder Schritt
gut überlegt sein, denn einmal ins Straucheln gekommen, ist der Sturz
unvermeidbar. Die Orientierung stellt sich bei diesem herrlichen Wetter als
leichtes Unterfangen heraus.
Auf den Kompass kann ich gänzlich verzichten, denn im Osten
zeichnet sich deutlich der Gipfel des Herdubreid ab, welcher mir den Weg weist.
Er scheint greifbar nah. Doch die Erfahrung hat mich gelehrt, dass die
Entfernungen auf weiten offenen Flächen stark täuschen. Dieser Effekt wird
durch die außerordentlich klare Luft in Island noch verstärkt.
Also verwerfe ich den Gedanken, mein Ziel vielleicht schon in 2 Tagen zu erreichen, wieder. Außerdem ist für mich nicht das Erreichen des Endziels das eigentliche, das angestrebte Ziel, sondern der Weg ist das Ziel. Hat man den Endpunkt erst erreicht, ist man zwar froh die Sache gut zu Ende gebracht zu haben, fühlt aber bald eine innere Leere und plant in Gedanken bereits die nächste Tour.
Eine Wüste ohne Hitze sollte es eigentlich sein
In einem Punkt habe ich mich bei meiner Planung kräftig
verrechnet. Im Rucksack schleppe ich jede Menge warmer Kleidung mit. Man hatte
mir dringend geraten dies zu tun und mich auch auf Minusgrade einzustellen.
Die Odadahraun ist immer für eine Überraschung gut, obwohl
tiefe Temperaturen in diesem Teil Islands selbst im Sommer nicht selten sind.
Doch statt Kälte und Regen quälen mich Temperaturen bis 28°C. Die Odadahraun
wird zum Glutofen, denn das schwarze Lavagestein speichert und reflektiert die
Wärme.
Bewusst versuche ich mein Tempo zu drosseln, was mir aber
nur für kurze Zeit gelingt. Automatisch steigert sich meine
Marschgeschwindigkeit wieder. Dies wird mir erst bewusst, als dicke
Schweißtropfen von Stirn und Nase tropfen. Da mein Wasservorrat begrenzt ist, muss
ich den Wasserverbrauch einteilen.
Dies fällt nicht leicht, denn ständig dringt das Plätschern
des Wassers in dem noch zu zwei Drittel gefüllten Faltkanister, den ich außen
am Rucksack befestigt habe, an meine Ohren - die Versuchung ist groß!
Ein kaum wahrnehmbarer Wind streicht von hinten über meinen
Kopf. Ab und zu drehe ich mich um, um so wenigstens für einen Augenblick einen
angenehmen, kühlenden Luftzug im Gesicht zu spüren. Laut GPS bin ich noch 5,6
km von meinem geplanten Lagerplatz entfernt. Ob ich es heute noch erreiche?
Allmählich schwinden meine Kräfte.
Hinzu kommen die vielen kleinen Mücken, die plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen. Mit allem habe ich gerechnet, nur nicht mit diesen Plagegeistern hier in der Wüste.
Mücken fliegen weiter als ich dachte
Ich befinde mich doch ca. 60 km südlich des Mückensees
(Myvatn). Was treibt diese Biester bis in diesen trostlosen Landstrich. Fast
kommt es mir vor, als ob sie nur darauf lauern, dass irgend so ein Verrückter
in ihre Falle tappt. Nur, dieser Verrückte bin ich.
Am Mückensee tragen die meisten Touristen ein Moskitonetz um
den Kopf, um wenigstens einigermaßen Ruhe vor ihnen zu haben. Ich hatte bewusst
kein Moskitonetz eingepackt, da ich mich ja weit südlich des Mückensees bewegte.
Gott sei Dank dauert dieses erste Intermezzo nur eine knappe Stunde, denn ein leichter, kühler Wind weht von den Eismassen des Vatnajökull herunter und lässt die Plagegeister genauso schnell verschwinden wie sie kamen. Ich habe keine Lust mehr weiter zu gehen. Fühle mich auch ziemlich platt. Schnell ist das Zelt aufgebaut und alle notwendigen Utensilien für das Abendessen bereitgelegt – Lagerroutine.
Ein Eisbruch aus Lava
Mit einem Kreuz markiere ich den nächsten Lagerpunkt auf der
Karte. Ein Blick auf die vor mir liegende Strecke verheißt nichts Gutes. Die
Legende der Karte sagt „big lava boulders“. Ein Blick nach Osten scheint dies
zu bestätigen. In der Ferne sind mehrere Reihen wie übereinander geschichtete
unförmige Lavablöcke zu sehen.
Sie muten wie mit einem Raupenfahrzeug zusammengeschobene
Steinwälle, ja wie regelrechte Dämme an. Sie erinnern mich an einen schwarz
gefärbten Eisbruch.
Und dort hindurch soll mich mein heutiger Weg führen? Es ist
wieder unerträglich warm. Meine ständig trockene und staubbedeckte Kehle lechzt
nach Wasser. Selbstdisziplin ist angesagt! Nur allzu verführerisch plätschert
das wenige Restwasser in meinem Faltkanister. Der Drang mir den Rest auf einmal
zu gönnen ist riesig. Aber ich widerstehe der Verführung.
Das Gelände wird immer schwieriger und unwegsamer, denn ich
befinde mich nun genau im Herzen der Odadahraun. Das Gehen erfordert meine
ganze Konzentration. Wenn da nur nicht wieder diese Plagegeister wären! Sie
verleiden mir die Sache tüchtig.
Ab und zu gelingt es mir einige von ihnen zu erwischen – nur, für eine erlegte Mücke scheinen zehn neue hinzuzukommen. Ich reiße mir die Mütze vom Kopf und schlage wie wild um mich. Es nützt nichts. Sie sind überall – in Nase, Augen, Ohren und Mund und dann dieses ständige Summen – es macht mich fast wahnsinnig! Ich mache mir nicht einmal mehr die Mühe sie aus meinem Mund zu entfernen, sondern schlucke sie einfach hinunter – Proteine als Marschverpflegung!
Wie das Plätschern meines Wasservorrats zur größten Bewährungsprobe wird
Die Beschaffenheit des Geländes zwingt mich immer wieder zu
Klettereinlagen – dann ist wieder eines dieser sich plötzlich auftuenden
„Spaltenmäuler“ zu überwinden. Die scharfkantige Lava hat meinen
Trekkingstiefeln bereits arg zugesetzt. Am frühen Nachmittag raste ich in einer
mit hellem Sand gefüllten Mulde. Oh Wunder! – hier wachsen sogar ein paar
spärliche Gräser. Ausgepumpt lasse ich mich in den weichen Sand fallen. Nur
nicht mehr gehen! Sofort wird mein Kopf Opfer zahlreicher Mückenattacken.
Das Plätschern des Wassers im Faltkanister verlangte meine maximale Selbstkontrolle
Das restliche Wasser im Kanister hat sich erwärmt und
schmeckt fad. Wenn ich weiterhin so viel trinke, werde ich wohl heute Abend auf
dem Trockenen sitzen. Morgen Abend hoffe ich die Braedrafell-Hütte zu
erreichen. Laut Laki‘s Aussage gibt es dort eine Auffangvorrichtung für
Regenwasser vom Dach der Hütte.
Darauf kann ich mich aber nicht unbedingt verlassen, denn im Gebiet der Odadahraun hat es wohl schon länger nicht mehr geregnet. Zumindest ein Hoffnungsschimmer, denn sonst müsste ich 2 Tage ohne Wasser auskommen. Klar, verdursten werde ich nicht, aber der Gedanke daran ist mir mehr als unangenehm!
Der Wahnsinn hat zwei Namen - Mücken und Hitze!
Mücken, Mücken – hunderte umschwirren mich. Ich hasse diese
Biester! Dazu die Hitze, der schwere Rucksack, das ständige Auf und Ab, über
Spalten springen, über Lavablöcke klettern. Oftmals gelingt es mir nur mit viel
Mühe und Glück nicht abzurutschen. Mehrmals stolpere ich und finde mich auf
allen Vieren wieder, dabei stoße ich mir einmal das Knie an einem unter einer
dünnen Sandschicht verborgenen Lavablock. Es tut höllisch weh!
Ich bin wieder einmal an einem Punkt, wo ich mich ernsthaft
frage „Warum das Ganze“? Auch die Einsamkeit, das Gefühl des Ausgesetzt seins,
fernab von jeder möglichen Hilfe, macht mir zu schaffen. Mein Körper verweigert
jede weitere Fortbewegung. Ich kann und will nicht mehr! Wo aber soll ich mein
Zelt aufbauen? Nirgends eine geeignete Stelle in Sicht. Dann glaube ich auf
einem kleinen sandigen Plateau eine geeignete Stelle ausfindig gemacht zu
haben.
Ich laufe einfach drauf los, um den Plagegeistern endlich zu entkommen. Diese verdammten Mücken machen mich noch wahnsinnig. An einer sandigen Stelle, die mir als Lagerplatz geeignet scheint, werfe den Rucksack ab und zerre das Zelt heraus. Doch als ich die Häringe im Boden verankern möchte, stoße ich schon nach wenigen Zentimetern auf harten Untergrund.
Am Limit
Der Versuch, die Häringe mit Gewalt in den Boden zu treiben, wird damit belohnt, dass sich einer nach dem anderen verbiegt.
Ich kann es nicht glauben. In der Folge lasse sich eine Kanonade an übelsten Flüchen los, die ich dem Leser besser erspare. Ich bin jetzt an einem Punkt, wo ich mich mal wieder frage, warum ich mir diese Sch**** antue. Ich bin mental und körperlich mal wieder komplett am Anschlag oder besser gesagt, am Limit.
Doch alles Hadern und Jammern nützt nichts, denn niemand ist da, der mir helfen könnte. "Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner" jagdt es durch mein ausgebranntes Hirn. Ich raffe mich daher nochmals auf, um mir einen anderen Lagerplatz zu suchen.
Ohne die Zeltstangen herauszunehmen packe ich das Zelt und laufe einfach drauf los. Jetzt allerdings mehr vor Wut über meine eigene Fehlbarkeit, obwohl die Mücken die gnadenlose Jagd auf ihr Opfer, also mich, unbeirrt fortsetzen. Wie ich diese Biester hasse!
Mehrmals verheddern sich meine Füße in den herunterhängenden
Zeltleinen, dann bleibt eine der Zeltschnüre an einem scharfkantigen Lavablock
hängen. Ich zwinge mich zur Ruhe und Besonnenheit. Neben einer Anhäufung
mittelgroßer Lavablöcke befindet sich eine relativ ebene Stelle, die mit
kleinen scharfkantigen Steinen bedeckt ist. Der Versuch, diese erste Schicht
abzutragen zeigt, dass sich darunter eine Schicht Sand befindet.
Ich trage die Steinschicht mit bloßen Händen und Schuhen auf einer Fläche von zwei mal zwei Metern ab und erhalte so eine recht gute Stellfläche für meine Zelt.
Meine Hände sind von der scharfkantigen Lava zerschunden und bluten aus mehreren Wunden. Für die Zubereitung einer warmen Mahlzeit bin jetzt einfach zu erschöpft. Daher begnüge ich mich mit einem kräftigen Schluck aus der Wasserflasche und krieche völlig ausgepowert in meinen Schlafsack. Bis auf einen kleinen Rest für morgen früh sind meine Wasserreserven nunmehr vollständig aufgebraucht.
Das Ende naht
Als ich am nächsten Morgen den Reißverschluss des Zeltes
öffne, bläst mir ein kräftiger Wind ins Gesicht. Der Abbau des Zeltes ist
mühsam. Ich peile den Sattel zwischen Kollottadyngja und dem Braedrafell an. Ab
dort müsste ich den schwierigsten Teil des Geländes hinter mich gebracht haben.
Der Wind wird stärker und wirbelt mächtige Staubfahnen – ja
sogar kleine Steine durch die Luft. Ich binde mir zum Schutz ein Handtuch vor
den Mund. Hoffentlich erwächst daraus nicht einer der gefürchteten Stürme, die
mühelos selbst faustgroße Steine durch die Luft wirbeln und ein Fortkommen dann
unmöglich machen.
Der Wind hat auch was Gutes – heute keine Mücken. Der
Aufstieg zum Sattel ist anstrengend. Die Aussicht in einigen Stunden die
Braedrafellhütte zu erreichen und in den Genuss von Wasser zu kommen
mobilisiert noch einmal ungeahnte Kräfte. Das Ende des unwegsamen Lavafeldes
ist in Sicht. Bald habe ich die letzten Lavahindernisse hinter mich gebracht
und gönne mir eine lange Pause. Das Gröbste wäre geschafft.
Der Herdubreid
Die Sorge, in der Hütte auch wirklich Wasser vorzufinden, lässt
mich diesen Moment jedoch nicht recht genießen und treibt mich weiter an. Zu
groß ist der Durst. Ich passiere die Südflanke des Kollottadyngja, habe jetzt
den höchsten Punkt erreicht und müsste die Hütte eigentlich sehen. Doch stattdessen
nur Lava – Lava soweit das Auge reicht.
Nach der verdammten Karte zu urteilen muss die Hütte hier irgendwo sein. Ich deponiere mein Gepäck und mache mich auf die Suche. Zwischen zwei Erhebungen öffnet sich mir der Blick in die Ebene zwischen dem Massiv des Eggert und dem mächtigen Herdubreid, der nun unmittelbar vor mir liegt. Allerdings sind es bis zu seinem Fuß noch gut 15 km.
Sandiges Wasser schmeckt einfach köstlich
Endlich sehe ich die Hütte. In ca. 1 km Entfernung hebt sich
das helle Blechdach deutlich von dem dunklen Hintergrund ab. Ich laufe zurück,
nehme meinen Rucksack auf und gehe, nein ich laufe der Hütte und hoffentlich
dem ersehnten Nass entgegen.
Beim Näherkommen erkenne ich unter der Dachrinne neben der
Tür zwei Plastikkanister. Ich laufe schneller, erreiche die Hütte. Und dann der
Schock! Leer! Doch die Erleichterung folgt auf dem Fuß. In der Nähe befindet
sich ein kleiner verschlammter Bachlauf.
Eine zentnerschwere Last fällt von mir ab. Wie ein
Verdurstender werfe ich mich mit dem Oberkörper ins schlammige Nass und trinke
gierig. Egal, dass ich dabei fast mehr Sand schlucke als Wasser. Das lauwarme,
sandige und faulig schmeckende Wasser läuft die Kehle hinunter – einfach
herrlich!
Heute genieße ich, begleitet von einem wunderschönen Sonnenuntergang, das Abendessen ganz besonders. Im Vergleich zu dem was hinter mir liegt, wird die morgige Etappe ein Kinderspiel werden.
Geschafft - die Lavawüste liegt hinter mir
Ausgepumpt aber glücklich erreiche ich am nächsten Tag Herdubreidalindir, eine kleine Oase an der Piste zur Askja. Ich bin überglücklich und verspüre eine tiefe innere Ruhe und Zufriedenheit. Die Wüste der Missetäter hatte mich gepackt und über Monate mein Denken bestimmt. Die Odadahraun hat mich gequält und sie hat mir unheimlich viel gegeben. Eine tiefe innere Zufriedenheit, spontane Glücksgefühle und ein intensives Gefühl der Erfüllung. Deswegen breche ich wahrscheinlich immer wieder auf.
Jetzt liegt sie hinter mir. Wie ein letzter Gruß, schickt sie noch einmal schwarze Sandwolken hinunter ins weite Tal des Flusses Jökulsa a‘ Fjöllum. Und eines weiß ich ganz sicher, die Odadahraun Wüste wird mir - trotz aller Leiden und Qualen - in bester Erinnerung bleiben.
Die Wüste Gobi gehört zu den unwirtlichsten Landstrichen dieser Erde. Schon als Kind habe ich Sven Hedins “Durch Asiens Wüsten” regelrecht verschlungen. Für mich stand bereits damals fest: irgendwann werde auch ich durch die Wüste Gobi gehen. Dass es dann gleich ein Lauf werden sollte, habe ich damals noch nicht geahnt. Doch jetzt 2014, war
Yukon, Klondike, Dawson City, Chilcoot Trail – diese klangvollen Namen faszinieren mich seit meiner Jugend. Denn damals habe ich „Alaska-Kid“ von Jack London regelrecht verschlungen und alle Abenteuer vom heimischen Sofa hautnah miterlebt. Deswegen war mir klar, dass ich ähnliche Abenteuer irgendwann selbst erleben möchte. Vor allem der Yukon, einer der mächtigsten und größten aller